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Von Casanova über Goethe ins Heute: Missgunst, Missverständnis, Missmanagement

Verfasst von Urs Scheidegger |

Wenn ein Schweizer von Amerika redet und die USA meint, kann der Diskurs aus dem Ruder laufen. In etwa so, wie wenn ein Nordamerikaner von Swiss redet und Zürich meint. Nicht selten sorgen Missverständnisse durch Missgeschick zum Misslingen mit anschliessender Misslaune – einst wie heute.

Es gibt da den alternden Casanova und jenes missliebige Missverständnis, das – alles andere als historisch verbürgt – keineswegs Heiterkeit vermissen lässt. Dieser notorische Schürzenjäger also bringt sich, als gerade von Missgunst die Rede ist, süffisant in die Diskussion ein mit der Bemerkung, dass er früher auch auf die Gunst der einen oder anderen Miss angewiesen gewesen sei. Missgunst vs. Miss-Gunst – Wörter und Sätze wollen nicht nur klar artikuliert, geschrieben und gehört («seid furchtbar und verheeret euch»), sondern auch korrekt verstanden werden. Für ein Missverständnis braucht es letztendlich Personen. Zwei mindestens für eins. Selbstverständlich sind auch Sachverständnis und funktionierende Sinneswahrnehmung vonnöten. Wer reimt «Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen» hatte im Botanik-Unterricht einen Fensterplatz, hörte schlecht und hatte auch noch Probleme mit der Farbwahrnehmung. Und wer auf den Poesiealbenspruch «Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heit'ren Stunden nur» setzt, hat sie eh nicht alle…

Durch ephemen Kompetenzschwund oder zumindest lokal-temporäre Unachtsamkeit mit folgenschwerem  Missmanagement zeichnete sich neulich die Leserbrief-Redaktion der drittgrössten Schweizer Tageszeitung mit US-affiner Attitüde aus (Redaktion für eine Wochenendausgabe nach Kalifornien ausgelagert). Zunächst wurde ein Leserbrief als viel zu lange moniert, danach eine gekürzte Variante auf die Wochenend-Ausgabe vertröstet, in der denn auch eine abermals gekürzte und aktualisierte Version erschien. Und wie! Verwiesen wird in der Überschrift auf einen Gastkommentar vom 22. August und nicht auf den Artikel vom 17. August. Was halb so schlimm wäre, wenn nicht die Argumentationkette samt Sachzusammenhang völlig wirr im Raum stünde. Was solls…
«Verwirrungen und Missverständnisse sind die Quellen des tätigen Lebens und der Unterhaltung» wurde  schon 1795 die Luise durch den Alten aus Weimar belehrt.
Womit wir nach Alex Capus, Thomas Mann, Franz Kafka, Friedrich Nietzsche und diversen (Leser)briefen nun auch Goethe als «Prokurator» nicht missen müssen, dessen Geburtstag sich am 28. August zum 275. Mal jährt. Kai Sina vom Germanistischen Institut der Universität Münster erklärt, warum Goethe auch heute noch modern ist – und welche Rolle er in den USA spielte.

News - © Urs Scheidegger 1995 - 2024

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