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Zur CD «I wott nüt gseit ha» von Pedro Lenz: Berner Mundart mit Stabreim

Verfasst von Urs Scheidegger | |   Sprachriff

Pedro Lenz setzt in seiner Lyrik auf etwas, was lange problematisch schien: die Fokussierung auf den Stabreim unter besonderer Berücksichtigung der Berner Mundart. Die vermeintlich gattungsfremde Verbindung führt zu einer Art Alltags-Alliteration mit Nebenwirkungen.

Fouqué, Richard Wagner und Wilhelm Jordan haben im 19. Jahrhundert versucht, dem Stabreim seine alte Funktion als entscheidendes Bindemittel  des Verses zurückzuerobern. Erfolg hatten die Bemühungen wenig. Wagner hat das Gegenteil von dem erreicht, was er wollte. Denn abgesehen von den sprachlichen Härten und Verrenkungen, die bei der Suche nach Alliterationen so spürbar werden, empfindet unser Ohr den gehäuften Stabreim weniger als Klang denn als Geräusch und löst schon in der Erwartungshaltung Unbehagen aus.

Stoffe aus dem vertrauten Alltag
Umso erstaunlicher im 21. Jahrhundert ist, dass es einem gelernten Maurer mit Matura und Studium der spanischen Literatur gelingt, die Berner Mundart unaufgeregt zu «stabreimen». Wobei der 1965 in Langenthai geborene Pedro Lenz sich seine Stoffe da holt, wo man meinen könnte, dass nichts zu holen sei: aus einem Alltag, der so vertraut und wohlbekannt ist, dass man sich sonst fast ein wenig geniert, darüber zu reimen. Dabei sind laut Lenz im Berndeutschen besonders die Wortanfänge mit D/T, S, Sch und G stabreimbildend: «Gloub der Gugger gäh grad
Göle u Goethe e gäbige Gliichklang.»
Auf der anregenden CD «I wott nüt gseit ha» wird überhaupt so manches Zeitthema auf mal humorige, mal schärfere Art abgewandelt, dass man - animiert über so viel Träfes - Stück für Stück zuhört und dabei manchmal laut herauslacht. Zum Beispiel, wenn Lenz Fremdenfeindlichkeit auf engstem Raum anklingen lässt: «Langethau, Murgethau, Aaretau, Aemmitau, Saanetau, Simmetau, Limpachtau... Haut, inegheit! Dir sit nit vo hie. Im Limpachtau seit me Limpachtäli.» Andernorts geht es deftiger zu, da lässt Lenz seine Figuren die Fassung verlieren, wenn der Sohn beim ersten Vollrausch in den Hundekorb kotzt.

Kein epigonaler Nachdichterling
Die Coolness, mit der Pedro Lenz die poetischen Intentionen seiner Zeitgenossen auswertet, verdient uneingeschränkte Anerkennung. Er ist kein epigonaler Nachdichterling; zwar übernimmt er die umgangssprachlichen Vorgaben seiner Anreger, versteht diese Rezeptur aber um wesentliche originelle dichterische Einsichten zu ergänzen. In
homöopathischen Dosen genossen, hat diese wichtige Stimme des Schweizer Poetry Siam zweifellos ihren Reiz. Bei einer Uberdosis indes lauern Nebenwirkungen: Es leiert die Lyra, lustiger Lenz.
Wohl nicht zuletzt deswegen ist seine Lieblingsband «Die Zorros» für Zwischentöne ganz anderer Art besorgt.

Pedro Lenz: «I wott nüt gseit ha» Monologe des Kummers. Audio-CD. Verlag der gesunde Menschenversand 2004, Fr. 27.-.
Tournee: 12. Februar 2005, Kulturkeller Gerlafingen; 16. Februar, Sekundarschule Herzogenbuchsee; 18./19. Februar 2005 Theaterstudio Olten; 19. März 2005 Kleintheater Grenchen.

 

Text vom 22. 12. 2004 in der Solothurner Zeitung

Es leiert die Lyra, lustiger Lenz: Pedro Lenz im Chrämerhuus Langenthal.
Es leiert die Lyra, lustiger Lenz: Pedro Lenz im Chrämerhuus Langenthal.

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