Kaum zu glauben, dass Alex Capus «keine Ahnung» hat, wie Thomas Mann ohne Microsoft die «Buddenbrooks» geschafft hat. Wo doch die Lösung augenfällig rekonstruierbar vorliegt: ein Wort nach dem anderen gesetzt. Handschriftlich, versteht sich. Ähnlich wie auch Franz Kafka in der Nacht vom 22. auf den 23. September 1912 die rund 4000 Wörter zu einem literarischen Meisterwerk («Das Urteil») zusammenreihte. Durchschnittlich zehn Wörter pro Minute. Was heute Otto Normalschreiber sowohl handschriftlich wie tastaturmässig schaffen sollte. Eine grössere Herausforderung dürfte es für Autoren gewesen sein, die sich als erste einer Schreibmaschine bedienten. Als Beispiel wird gerne Friedrich Nietzsche angeführt, dessen Schreibstil sich verändert haben soll, «als er nicht mehr mit Feder und Tinte übers Papier streifte, sondern in die Tasten hämmerte». Nun denn, der Schreibstil des mühsam in die Tasten Gehämmerten bleibt überschaubar und steht in keinem Verhältnis zu Nietzsches Handschriftlichem. Apropos «in die Tasten hämmerte»: Die Redewendung würde eher einer «Remington» des gleichnamigen amerikanischen Waffenfabrikanten stehen als Nietzsches drei Kilo leichter Schreibhalbkugel. Der bekam allein der Transport nicht so gut, die gute «Malling Hansen» mit Namen war schon kaputt, als sie 1882 bei Nietzsche in Genua eintraf.
Lesen briefen, Briefe lesen – Leserbriefe schreiben
Lesen und Schreiben sind untrennbar miteinander verwoben: Es soll gelesen werden, was geschrieben steht; es muss geschrieben sein, was gelesen wird. Egal, ob gemeisselt, gebrannt, geritzt, gestickt, gesprüht, gesprayt, gekritzelt, getippt, gedruckt, gelasert oder sonstwie hektographiert. Capus lesen, Nietzsche lesen, Kafka lesen, Zeitung lesen, Briefe lesen und – Leserbrief schreiben! Zugegebenermassen in der Wirkmächtigkeit bescheidene Beiträge im Vergleich mit dem Weltalphabetisierungstag, der sich am 8. September 2024 zum bald 60. Mal jährt. Der wurde einst von der UNESCO zur Erinnerung an die Problematik des Analphabetismus – heute auch gerne Illettrismus – ins Leben gerufen. Wie auch immer, es lohnt sich alleweil in Erinnerung zu rufen, dass weltweit 860 Millionen Erwachsene nicht richtig lesen und schreiben können. Mitunter jeder zehnte Europäer sowie jene 800000 erwachsenen Schweizerinnen und Schweizer, die nicht in der Lage sind, einen kleinen zusammenhängenden Text, zum Beispiel eine Gebrauchsanweisung, zu verstehen, geschweige denn, diesen Text auch schriftlich wiederzugeben.